27.10.2014
Geduld. Ohne Geduld und Nerven wie Drahtseile geht hier im lieben
Indien überhaupt nichts. Es fängt mit dem allmorgendlichen Basic-Lärm an.
Verkäufer die unten auf den Straßen lauthals verkünden, was sie verkaufen,
Musik von einem Festival was mal wieder am Gange ist und im Moment kommen auch
noch ohrenbetäubende Böller dazu da das Divali Festival vom 22-23.10 ist. Als
ich morgens um 7 Uhr damit geweckt wurde, dachte ich müsse mich flach auf den
Boden legen und meinen Kopf mit den Händen schützen. Tagsüber geht es dann mit
den wunderbar dauerhupenden Autos weiter. Allgemein gilt:
Hupen ersetzt Bremsen!
Wenn man besonders viel Glück hat, wird man dann noch nachts von einer
Hochzeitsfeier geweckt. Trommeln, so
etwas ähnliches wie Orgelmusik und Gesang dürfen da natürlich nicht fehlen.
Darüber freut man sich besonders um halb 4 Uhr nachts, wenn man keine Ahnung
hat was da los ist.
Allerdings hört sich das alles auch schlimmer an als es ist. An den
Basic-Lärm und den lauten Grundton der hier herrscht gewöhnt man sich und man passt
sich einfach an. Zudem schaffe ich es auch den
allermeisten Lärm nachts und morgens einfach zu ignorieren und weiter zu
pennen. Und zum Beispiel bei Gesprächen auf den Straßen hält man einfach mal
kurz die Klappe, wenn ein hupender Bus an dir vorbeirauscht. Gegen an schreien
ist nur unnötig anstrengend und bringt eh nichts. Am Ende ist die Hupe lauter.
Geduld ist für die Arbeit mit Kindern auch eine recht nützliche
Charaktereigenschaft. Wenn wir mit den Kindern im Waisenheim arbeiten, sollen
wir nach deren Meinung überall gleichzeitig sein, mit allen unsere Zeit
verbringen und sowieso überall Augen und Ohren haben. Das kann zeitweise recht
viel werden. Überall kann man eh nicht sein und somit teilt man sich seine Zeit
ein und versucht gerecht seine Aufmerksamkeit auf die Kinder zu verteilen. Auch
wenn gleichzeitig 10 Mädchen ‘Johanna sister‘ rufen und sich an alle Gliedmaßen
von dir hängen die sie finden können. Nach der zehnten Wiederholung, dass ich
gerade keine Zeit habe oder versuche ein Gespräch zu führen, hat man sogar
manchmal Glück und sie warten stillschweigend auf dich. Da muss man allerdings
schon sehr viel Glück haben. Auch bei alltäglichen Dingen wie Hausaufgaben
zahlt es sich aus, Geduld zu zeigen. Ich bin schon das ein oder andere Mal in
die Bedrängnis gekommen, bei den Mathehausaufgaben helfen zu müssen.
Wenn mein alter Mathelehrer das wüsste, er würde die Hände über dem
Kopf zusammen schlagen. Fürs addieren, subtrahieren und multiplizieren reicht
es aber selbst bei mir noch und wenn es ans Eingemachte geht DIVIDIEREN schicke
ich sie einfach zu Luise :D!
Die meisten Mädchen mögen Mathe nicht sonderlich, was ich gut
nachvollziehen kann, aber eigentlich nur, weil es ihnen so schwer fällt.
Allerdings mit ein bisschen Geduld und Sitzfleisch konnte ich erste Erfolge
feiern mit der kleinen Shushmita. Wir haben mehrere Tage hintereinander immer
und immer wieder Plus und Minus und wieder Plus gerechnet. Am Ende hatte sie es
einfach drauf und man kann sich das Grinsen, wenn sie eine Aufgabe richtig
hatte nicht vorstellen. Von einem Ohr zum anderen ging es und plötzlich macht
das ganze sogar noch Spaß und sie forderte mehr Aufgaben. Wenn sie allerdings
einen schlechten Tag hatte und etwas nicht verstanden hat, rollten die dicken Krokodils
Tränen vor Verzweiflung. Da musste ich unweigerlich an mich und meinen Vater
denken. Der hatte früher auch die heldenhafte Aufgabe mir Mathe verständlich zu
machen, was ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen war und eigentlich immer im
Streit endete. Da ist das Lernen mit Shushmita eindeutig öfter mit Erfolg
gekrönt.
Shushmita |
Auch lesen üben ist so eine Sache wo man viel Zeit und Muße mitbringen
muss. Es lohnt sich aber Geduld zu zeigen. Wenn die Kinder merken das sie sich
verbessern und etwas von alleine hinbekommen, dann war es das warten, die
Erklärungen und die 100 fache Wiederholungen dessen wert.
Ich bin mir sicher, dass Geduld eine Eigenschaft ist die ich neu nach
Deutschland mitbringen werde. Ich hätte mich vor 3 Monaten noch nicht zu den
geduldigsten Menschen gezählt, aber ich bin mir sicher, dass sich das hier
ändert. 2 Stunden auf den Bus warten ist okay, 2 Stunden auf den Zug warten ist
okay, 5x den Kindern das gleiche erklären ist okay, 1 Stunde auf die
Schülerinnen warten die man unterrichten will ist okay.
Man sollte da einfach mal relaxed bleiben und nicht immer alles so eng
sehen. Immer weiter locker flockig aus der Hose atmen!
Grunddevise wenn wir unterrichten ist einfach ‘Der Weg ist das Ziel
und nur weil man für den Weg ein bisschen länger braucht, heißt das noch lange
nicht dass man das Ziel nicht erreicht. Man erreicht es einfach nur später, wenn man ein kleines bisschen Geduld zeigt`!
Bis bald Johanna
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