Ich habe schon immer eher die Wärme
der Kälte vorgezogen. Das fängt beim Sommerurlaub an anstatt des Winterurlaubes,
Melancholie wenn sich der Winter in Deutschland angekündigt hat und hört mit
absurd guter Laune auf, wenn der Frühling langsam alle Pflanzen und auch
irgendwie die Menschen (mich zumindest) zum Leben erwachen lässt. Vielleicht
habe ich das auch ein wenig von meinem Vater geerbt, der, wie meine Mutter zu
sagen pflegt, immer in leichte Winterdepressionen verfällt sobald die Tage
kürzer werden, man nicht mehr draußen im Garten rummuddeln kann und beim Joggen
einem die tropfende Nase zufriert. So weit so gut.
Was aber wirkliche Kälte mit einem
anstellt, wenn man sich nicht dagegen wehren kann, da hatte ich keine Ahnung.
Für mich bedeute Kälte bisweilen ein
Gefühl oder eine Situation der ich entweichen konnte. Es war niemals ein
Dauerzustand. Habe ich überhaupt einmal so richtig gefroren?
Und wie absurd es sich anhören muss,
dass gerade ich, die gerade in Indien herumspringt, sich über Kälte und frieren
Gedanken macht. Aber manchmal ist das unwahrscheinlichste, dass was wirklich
beschäftigen sollte.
Ich komme auf das Thema, da ich vor
ein paar Tagen zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren musste, was es heißt zu
frieren und nichts dagegen machen zu können.
Wir sind über Nacht mit dem Zug von
Nagpur(liegt in Zentralindien) zurück Nachhause nach Hyderabad, also in den Süden
Indiens gefahren. Ab 2 Uhr nachts lagen wir auf unseren Pritschen und
versuchten uns so warm wie möglich zu halten. Drei lagen als Oberteil, Socken
und Decken brachten Garnichts. Die Kälte kroch durch die leichten Stoffe die
sonst völlig ausreichen in die Knochen, sodass man sich einfach nicht mehr
bewegen mochte und man sich ewig in Embryohaltung zusammen kauerte. Der Windzug
aus den Schlitzen der undichten Fenster machte es nicht besser. Irgendwann
lagen wir vier Mädels nur noch verteilt auf zwei Betten, weil Körperwärme die
einzige Lösung war um sich ein wenig aufzuwärmen. Das Bild was wir wohl
abgegeben haben müssen, erinnerte sicherlich an Sardinen in der Büchse. Die
Betten sind nicht wirklich für zwei Menschen ausgelegt, aber das war schon
okay. Wenn man sich umdrehen wollte, musste der andere halt auch.
Ich rede hier gar nicht mal über
Minusgrade. Ich spreche über Temperaturen von 10-15 Grad in der Nacht. Wenn man
aber den ganzen Tag bei mehr als 30 Grad herumgelaufen ist, dann ist der
Temperatursturz mehr als ausreichend damit einem kalt wird. Wenn ich das
Freunden in Deutschland erzähle, ist die Reaktion eigentlich immer die gleiche.
Ein müdes Lächeln und ein kleiner Spott. In Deutschland sei es ja viel Kälter.
Dem würde ich auch nicht widersprechen. Trotzdem habe ich gefroren und den
Indern ergeht es da noch schlimmer, da sie sich noch viel, viel mehr an das
warme Klima gewöhnen. Sie ziehen sich schon bei 20 Grad den Pulli über, da es
ihnen sonst zu frisch wird.
Am Schlimmsten war für mich
allerdings der Gedanke, dass manche Menschen solche Nächte nicht nur einmal erleben
müssen, so wie ich. Ich lag wenigstens in de Gewissheit da, dass mich in der nächsten
Nacht mein warmes Bett empfängt. Wie viele Menschen dürfen nicht mit diesem
Gedanken nachts einschlafen? Mit dieser Frage im Kopf wurde mir natürlich nicht
unbedingt wärmer. Trotzdem bin ich im Nachhinein um die Erfahrung dankbar, da
ich mir ansonsten niemals so intensiv darüber Gedanken gemacht hätte.
Frieren in Indien? Ja, frieren in
Indien geht, sogar ziemlich gut. Was man dagegen tun kann weiß ich nicht. Ich werde aber anfangen auf irgendeine Art zu helfen. Auf welche Art weiß ich noch nicht. Einfach weil jetzt eine vage Vorstellung
davon habe, wie scheiße es ist zu frieren.
Ich habe immer noch kalte Füße.
Bis bald Johanna