02.06.2015
Ich habe nun genau 10 Monate Indien
hinter mir und ich muss gestehen, dass mir der Schreibstoff im letzten Monat
ein wenig ausgegangen ist. Man hat seinen Alltag, die Arbeit mit den Kindern,
Essen kochen, dann nochmal zu den Kindern für das Nachmittagsprogramm, dann
geht’s nach Hause nochmal kochen falls Motivation da ist, lesen, einen Film
gucken oder sich mit Freunden treffen.
Das sind alles Dinge die ich nicht so
unbedingt berichten muss und somit habe ich auf den glorreichen Einfall
gewartet was mal wieder Schreibens und Berichtens wert ist. Und wie das nun mal
so ist kommen einem die Ideen dann zugeflogen, wenn man aufgehört hat drüber
nachzudenken. So ist es auch mir ergangen.
Ich habe letztes Wochenende völlig
groggy im Bett gelegen und über die lange Nacht nachgedacht die wir hinter uns
hatten. Während meines Resümierens ist mir also aufgefallen wie sich nach 10
Monaten unsere und auch meine Rolle in unserer Freundesgruppe, aber auch bei
den Kindern verändert hat.
Wir sind hier angekommen und waren
natürlich auf alle und jeden angewiesen, da wir kaum etwas alleine auf die Reihe
bekommen haben. Fragen wie ``Wo ist der nächste Supermarkt?`` oder ``Wie komme
ich von A nach B?``, ``Wieso dürfen keine indischen Männer bei uns in die
Wohnung, aber europäisch aussehende schon?``, ``Wie funktioniert die
Waschmaschine?``, ``Wie finde ich heraus, ob die Obst und Gemüseverkäufer auf
der Straße mich übers Ohr hauen?``, ``Ist es unhöflich, dass ich nicht die
traditionelle Kleidung anziehen möchte, weil ich sie unbequem finde?``, ``Was
darf ich in meinem Blog veröffentlichen, was nicht und wie ehrlich darf oder muss
ich sein?``, ``Wieso nennen mich alle Madame oder Sister?`` und ``Warum zum
Teufel kommen ständig wildfremde Menschen in meine Wohnung und fangen aus
heiterem Himmel ein Gespräch mit mir an?``.
All so alltägliches mussten wir uns
fragen, um Hilfe bitten und am Ende vieles herausfinden. Und so wurde beispielsweise
unsere erste Busfahrt die Luise und ich hinter uns brachten ein gefeiertes
Ereignis. Einfach nur, weil es ein Schritt Richtung Selbstständigkeit war.
Dieses ‘Herausfinden‘ ist ein wenig
abgeklungen. Wir sind alle ziemlich sicher im Alltag, wissen nun gerade so wo
der Supermarkt ist und wundern uns schon gar nicht mehr über Fremde in unserer
Wohnung, sondern nehmen diese eher als willkommene Abwechslung. Aber auch so
Kleinigkeiten wie das Wissen wo man seine Produkte am günstigsten bekommt,
welches Taxiunternehmen die besten Preise hat, wo man Schuhe flicken lassen
kann, Fotos entwickeln lässt, zu welcher Zeit man die Hauptverkehrsstraßen lieber
meidet, weil sie zur Rush Hour komplett überfüllt sind und wo man einen
gescheiten Kaffee bekommen kann. Das sind alles Dinge die wir uns über Monate
erarbeitet haben. Es ist ein gutes Gefühl sich nun auch die kleinen Tücken des Alltages
zu meistern nur um sich selber zu beweisen, dass man das alleine schafft. Das gibt
uns viel Selbstständigkeit, welche ich in den Anfangsmonaten vermisst habe.
Genauso mussten wir auch den Respekt
sowie Zuneigung der Kinder erst ausbauen. Die Kinder waren super offen und
interessiert uns gegenüber, aber trotzdem haben sie uns immer wieder ausgetestet
was sie mit uns machen können, was nicht und wie weit sie gehen können. Das hat
mich generell nicht gewundert, da das normal ist seine Grenzen auszukundschaften.
Es war und ist aber noch immer oftmals einfach nur super anstrengend. Auch
heute müssen wir uns immer noch beweisen und auch durchaus den Kindern mal die
Meinung sagen und deutliche Worte finden.
Auch in unserer Freundestruppe weiß
man, dass wir nun einige Zeit hier verbracht haben und nun sind wir es die
Fragen beantworten, Probleme versuchen zu lösen und helfend zu Seite stehen. Wo
wir noch am Anfang die waren, die auf andere angewiesen waren sind es nun
andere, welche später angekommen sind.
Die Neuankömmlinge sind meistens
nicht sonderlich schwer zu identifizieren. Wenn wir uns in einer großen Gruppe treffen
geht es meistens recht laut und chaotisch zu. Alle werden mit einer Umarmung
oder einem Küsschen oder zwei (wir haben recht viele Franzosen hier) begrüßt
und jeder klatscht und tratscht mit jedem. Man kennt sich halt. Die Frischlinge
stehen dann zumeist auf einem Haufen, wissen nicht so richtig wohin, machen
alle große Augen, wechseln vom rechten Bein zum linken und wieder zurück,
halten sich am Glas fest, welches ihnen von dem in die Hand gedrückt wurden ist
der sie mitgebracht hat und dabei versucht man natürlich seine Unsicherheit zu
verstecken und ganz lässig, locker flockig zu wirken.
Nicht das das jetzt irgendwie fies
klingt. Wir vier deutschen Mädels standen vor ein paar Monaten genauso da. Das
Ganze ist aber nicht schlimm, weil die Leute hier es verstehen die Neuen zu
integrieren. Alle paar Wochen kommen hier internationale Leute an die genauso
wie jeder andere auch Anschluss suchen. Jedes Wochenende hat man die Chance
einen neuen, netten Menschen aus irgendeinem Teil der Erde kennenzulernen und
sich auszutauschen. Das ist etwas, was ich sehr zu schätzen gelernt habe. Immer
im Austausch mit interessanten Kulturen zu sein und über die indische hinaus
auch andere Kulturen kennen zu lernen. Wir haben ein paar Europäer hier wie
Deutsche, Franzosen, Italiener, Polen, Ukrainer und Spanier, sowie Iraner und
Russen, Somalia und Kanadier, Ägypter und die größte Truppe bilden die
Südamerikaner mit Kolumbianern und Brasilianer.
Das hält die Wochenenden bunt und es
wird nie langweilig.
Bis bald Johanna
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P.S. Indische Hochzeit :) |
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