13.10.2016
Lang ist es her, dass ich völlig überfordert aus
dem Flieger aus Indien stolperte. Genaugenommen ein Jahr und drei Monate; Plusminus..
Was passiert eigentlich danach? Nach diesem Jahr
im Ausland. Nachdem man die Schule abgeschlossen hat, erfolgreich oder auch
nicht. Nachdem man sich so wahnsinnig mutig ins Ausland getraut hat, die Zeit
seines Lebens hatte, sich weiterentwickelt hat, sein Leben, Ansichten,
Einstellungen, Denkweisen und Perspektiven durcheinander gewühlt wurden? Was
passiert nachdem sich jeder zu Ende gefreut hat, dass man wieder da ist,
Freudentränen weggewischt sind, von der Welcome-back Party nur noch der Kater
und leere Becks Flaschen übrig sind und man zugeben muss, dass der Rewe Supermarkt um die Ecke völlig überfüllt ist
und man nicht mehr mit einem überbreiten Grinsen an der Kasse begrüßt wird. Was ist dann eigentlich?
Es fühlt sich so ein bisschen wie das Ende eines
kitschigen Liebesfilms an. Alle Küsschen sich, lieben sich und man selber sitzt
mit der Salzstangdose, einer leeren Teekanne und einer übervollen Blase vor der
Matscheibe und fragt sich „Und jetzt?“. Ein wahnsinnig intellektueller, anderer
Film sagte dazu mal „ Alles andere was danach kommt nennt sich Porno und darf
vor Mitternacht im Fernsehen nicht gezeigt werden“. Und ob man das sehen möchte,
ist dann wohl auch jedem selber überlassen.
Da ich meine letzten, plusminus, 15 Monate absolut nicht
mit den beiden oben genannten Abendprogrammen vergleichen möchte, switche ich
einfach direkt zum Reality Programm.
Vorrausschauend wie ich war habe ich mir noch in Indien zwei Praktika
Plätze organisiert. Somit bin ich nach einem Monat trautem Heim schon Anfang August nach Dresden
gezogen für drei Monate. Ich durfte dort dem jüdischen Musik und
Theaterfestival bei der Organisation unter die Arme greifen. Ganz nebenbei habe
ich die wunderschöne Deutsche Stadt Dresden kennen gelernt. Die Altstadt habe
ich komplett zu Fuß durchforstet, da ich als Praktikantin mit der fundamentalen
Aufgabe betreut wurde Flyer auszutragen. Noch eher zugesagt hat mir allerdings
die Neustadt. Jung, laut, alternativ, durchaus auch familientauglich, schrill
und unfassbar sympathisch. Hier habe ich schnell meine zweite Aufgabe gefunden.
Ich war im Kundenservice in einer kleinen Boutique. Zwischen den schönen und materiellen Dingen des Lebens habe ich mich aufgehoben gefühlt. Mit den Kunden hatte
ich auch eher wenige Probleme und ich glaube zu wissen, auch sie nicht mit mir.
Bisschen Klamotten aufschwatzen, aufbügeln, Kaffee trinken und dabei wichtig
aussehen ist einer meiner leichtesten Aufgaben. Von Januar bis Juni habe ich
mich dann doch nochmal ins elterliche Nest gesetzt und habe mein Praktikum in
Bremen absolviert. Resümee? Wahnsinnig interessierte, hilfsbereite und
liebevolle Menschen kennen gelernt und nebenbei noch ein bisschen Festival
organisiert. Eigentlich gar nicht schwer…
Aber ich will die Uhr doch nochmal ein ganz
kleines bisschen zurückdrehen. Zu Weihnachten und Neujahr. Denn da war er
plötzlich. Der Kulturschock auf den ich ein Jahr in Indien gewartet habe. Jeder der für
eine gewisse Zeit ins Ausland geht, darf sich mindestens einmal davor anhören,
wann und wie genau der sogenannte Kulturschock kommt und aussieht. Soll einfach
heißen, dass man Heimweh bekommt, genervt ist von Eindrücken, Fremdheit und
Andersheit. Wo ich mich in Indien schon gefragt habe, was genau mit mir nicht
stimmt, dass ich sowas nicht habe, obwohl es ja so angepriesen wurde, schlug
mir plötzlich mit voller Wucht ins Gesicht. Das Gefühl alles zu haben,
zufrieden sein zu müssen, Dankbarkeit auszustrahlen, stolz auf sich selber zu
sein, das man das Abenteuer „Ausland“ so gut gemeistert hat und Glückseligkeit
zu spüren, da man die wichtigsten Menschen
der Welt um sich herum versammelt hat, aber nichts reicht um dich
glücklich zu machen. Mir selber einzugestehen, dass ich mehr Fernweh hatte als
jemals Heimweh zog mir doch ein wenig die Schuhe aus. Dieser so sagenumwogende
„Kulturschock“ kommt normalerweise zur Weihnachtszeit. Zum Familienfest hat der
gute Deutsche nun mal die Liebsten gerne um sich. Da schließe auch ich mich
nicht aus. Es war nur das Gefühl, dass meine Denkweisen und Verhaltensweisen
nicht mehr in meine alten Formen passen wollten, die ich doch neunzehn Jahre davor geformt hatte.Hinzukommend, dass mir jeder seine ganz eigene Fassung meiner Zeit in Indien aufdrängte und dann
auch noch bestätigt werden wollte. Unverständnis wie man einen kaum angerührten
Teller im Restaurant zurückgehen lassen gehen kann. Die Sprachlosigkeit
aufgrund Menschen die einen Tag in Mumbai von Bord der AIDA geschubst wurden
und meinen sich nun mindestens genauso gut in Indien auszukennen. Aber
ehrlicherweise war es eher die Gewissheit die mich so erstarren lassen hat, dass ich Menschen in Indien zurückgelassen habe die mir sehr nahe stehen und dass man eben nicht nach einem
Jahr zurückkehrt. Quasi eine Zurück-Rückkehr. Auf kein selbstgemachtes Banner
von Freunden am Flughafen trifft, keine Welcome-back Party feiert mit
widerlichem Indischen Bier und auch so schnell kein nettes Zahnpasta Lächeln an
der Kasse mehr bekommt.
Es ist schwierig seine Familie, Freunde,
Komfortzone und allem was einem eine lange Zeit Rückhalt gegeben hat für ein
Jahr hinter sich zulassen. Aber wiederzukommen und zu wissen, dass man sich
sehr weit weg in einem anderen Land ein Leben aufgebaut hat, welches man
niemals auf diese Weise, in dieser Zusammenstellung aus Menschen und
Erlebnissen wiedersehen wird ist was anderes. Alles was du dir aufgebaut hast; Alltag, Arbeitsroutine, Beziehungen und Freundschaften musst du einfach nach
einem Jahr niederlegen ohne Recht sich dagegen zuwehren oder die Garantie auf ein Zurückkommen
Der Perspektive-Wechsel kam spät für mich. In jungen Jahren auszuziehen, weit weg zu
reisen für eine lange Zeit ist anstrengend, aufregend. Es ist ein riesen
Abenteuer und macht einem durchaus Angst. Jetzt aber muss ich sagen, dass das
Zurückkommen das viel größere und nicht zu unterschätzende Abenteuer ist.
Bis bald, Johanna.