1.7.2015
Die ‘vielen ersten Male‘ in unserem
Leben und sie zu erfahren, ob es das ganz herkömmliche und aufregende erste Mal
mit dem Partner ist, der erste widerliche Schluck von Mamas Kaffee oder Papas
Bier, das erste Mal alleine Autofahren oder schlicht und ergreifend das erste Mal
nach Indien fliegen. ‘Erste Male‘ sind immer aufregend und bleiben, falls nicht
zu viel Alkohol oder andere Sachen im Spiel waren ziemlich nachhaltig im Kopf.
Ich denke ich hatte schon das ein
oder andere Mal mein erstes Mal und in den letzten
Tagen musste ich zu oft ein ‘letztes Mal‘ mitmachen.
Nach meinen neuesten Erfahrungen kann
man dieses Ereignis ‘das letzte Mal‘ genauso mitzählen und zelebrieren wie die
‘ersten Male‘, macht halt nur weniger Spaß.
Um es mit einfachen Worten zusagen. Mein
Jahr Indien ist vorbei. So wie ich auf meinem Hinflug vor fast genau 11 Monaten
meinen ersten Blogeintrag angefangen habe zu schreiben, so schreibe ich meinen
letzten auf meinem Rückflug. Um ehrlich
zu sein habe ich mich eine ganze Weile gegen den letzten Eintrag gewehrt. Mir
wollte nicht so richtig einfallen was ich schreiben soll und wie ich es ausdrücken soll ohne es zu melancholisch
klingen zu lassen und sowieso wäre es der Abschied dann zu schnell, zu real
geworden.
Nach einem aufbauenden und nahrhaften
Flugzeugessen, zwei Filmen (The Golden Girl und 500 Days Summer, wo ich den
ersten mehr als empfehlen kann) und nun Aretha Franklin im Ohr habe, habe ich nun
aber doch erfolgreich meine Eier unterm Rock wiedergefunden und verfasse nun
meinen letzten Beitrag.
Denn sind wir doch mal ehrlich!
Wo etwas aufhört da fängt mit Sicherheit
auch wieder etwas Neues an. Und dann heißt es wieder „Ich hatte heute zum
ersten Mal….“
Indien verlasse ich mit vielen
positiven Gedanken, Gefühlen und
Eindrücken, sodass es mir gerade schwer fällt mich an irgendwelche negativen
Eindrücke zu erinnern. Das stört aber nicht weiter. Waren eh mehr positive als
negative und schließlich ist das ganze ja auch mein Blog und somit kann ich so
subjektiv und blumig über meine Zeit hier berichten wie ich möchte.
Meine ‘letzten Male‘ in Indien fangen
mit dem ‘letzten Mal‘ zu den Kindern gehen an und hören mit dem ‘letzten Mal‘
enge Freunde sehen auf.
Der Abschied der Kinder war
unerwartet schön für uns alle. Wir haben gleich drei feste zusammenpackt und
alle am gleichen Tag gefeiert.
1. Der 11. Geburtstag eines der neuen
Mädchen. Wir haben mehr als 13 neue Mädchen im Waisenhaus die das ganze Leben
dort wieder mal ganz schön aufwirbeln.
Luise und ich hatten leider nicht so richtig die Möglichkeit uns mit ihnen zu
unterhalten, aber ich bin mir sicher, das dass die nächsten Freiwilligen
aufholen werden.
2. haben wir Raji gefeiert, welche
nun in einem Alter ist in dem sie vom Teenager zur Frau wird. Zu diesem Anlass
bekommt sie ihren ersten Saree und zusätzlich viele Essensachen geschenkt.
Und zu guter Letzt, wir Freiwilligen und unser Abschied; Die Nummer 3.
Von unseren Vorgesetzen und
Ansprechpartnern der Organisation haben als Dankeschön eine
kleine ziemlich kitschige, silberne Figur vom Wahrzeichen Hyderabads bekommen
und eine Karte wo alle Kinder, unser Manager, Präsidentin und ein paar
Mitarbeiterinnen unterschrieben haben. Zum Schluss haben wir noch ein paar
Worte an die Kinder gerichtet und ihnen unseren Mappen in die Hand gedrückt.
Hier sind alle angefertigten gemalten Blätter, Englisch und Matheblätter und
ein paar Fotos von ihnen aus dem letzten Jahr gesammelt drinnen. Das ganze endet
mit einem Brief von Luise und mir in dem
steht, dass sie sich ihre lebhafte, neugierige und ansteckend Art beibehalten
sollen, wir unsere Zeit mit ihnen genossen haben und wir von ihnen genauso
lernen durften und nicht nur andersherum.
Zum Ende gab es dann noch eine wilde
Tanzsession mit Kindern, uns und sogar der Präsidentin. Ich glaube, dass die
kleinen Kinder das nicht ganz verstanden haben, dass wir nun wieder zurück nach
Deutschland fahren. Somit war die Stimmung allgemein ziemlich ausgelassen und
nicht gedrückt so wie ich es befürchtet hatte. Zum Schluss gab es noch ein super leckeres Essen wobei wir ein ‘letztes
Mal‘ mit den Mitarbeiterinnen zusammen auf dem Boden saßen, mit den Händen ordentlich
Reis geschaufelt haben und ein paar interessanten Lebensgeschichten lauschen
durften. Hierbei mussten wir doch das ein oder andere Mal schwer schlucken und
das nicht wegen dem scharfen Hühnchen welches wir aßen.
So durften wir also an unseren letzten
Tagen zum ersten Mal Rosi treffen. Diese wurde von unserer Organisation um 1999
auf der Straße aufgegabelt und hat sich zuerst gut eingegliedert, Fortschritte
gemacht und wurde zu einer wichtigen Mitarbeiterin für CMM und zu einer engen
Freundin für unsere Präsidentin. Leider, und in diesem Kontext kann man wohl wirklich von leider sprechen, hat sie
dann ihren neuen Freund kennen gelernt der
ihr den Umgang mit CMM verbot. Wieso, weshalb, warum bleibt geklärt. Sicher ist, dass Rosi eine tolle ausgebildete Frau ist, aus gutem Haus stammend
und einen guten Englischen Wortschatz besitzt und trotzdem in die Laufbahn
einer Prostituierten gekommen ist, mit einem Alkoholproblem zu kämpfen hat und
ihre zwei Söhne verloren hat durch ungeklärt Gründe
Das alles durch einen oder zwei
falsche Einflüsse in ihrem Leben.
Ihr Ex-Ehemann hat ihr Drogen gegeben
und sie zur Prostitution gezwungen um seine eigene Haushaltskasse aufzubessern. CMM hat sie all die Jahre nicht aufgegeben und ihr immer eine Hand gereicht. Glücklicherweise hat sie die Chance auf einen Arbeitsplatz genutzt. Von ihrem Ex-Ehemann hat sie nun kein Kontakr mehr, aber auch ihr neuer Partner verbietet ihr den Umgang mit CMM. Nun kommt sie nur noch heimlich ohne dass ihr Freund etwas davon
weiß.
Nach all diesen Schicksalsschlägen
hat sie uns an diesem Abend aber auch erklärt auf was es nun in ihrem Leben
ankommt.
Gesundheit. Mehr nicht. Sie hat
mehrmals versichert wie gut es ihr jetzt geht und wie dankbar sie meinem
Manager ist, weil er sie vor Jahren nicht aufgegeben hat und immer und immer wieder zu ihr gekommen ist und ihr das
Angebot gemacht hat doch zu CMM zu kommen und sich ein Bild davon zu machen und
eventuell Teil dessen zu werden. Welches
Angebot sie dann auch schließlich angenommen hat. Durchhaltevermögen zahlt sich aus.
Ihren Vortrag hat sie mit dem Satz
abgeschlossen „Und Mädels, benutzt immer ein Kondom“!
Tja, was soll man da auch erwidern.
Recht hat sie die Rosi.
Der Abschied von unseren Freunden
lief da ein wenig anders ab. Für die engeren Freunde haben wir ein Essen
organisiert und für alle eine Party veranstaltet die in einem Club stattfand.
Auch die Zeit davor war unsere Woche mit Treffen mit unseren Freunden geschmückt
die uns einfach so nochmal beim Essen
sehen und sprechen wollten. Das gab auf den letzten Metern in Indien
nochmal ein gutes Gefühl. Es ist schön
zu sehen, dass auch wir kleinen Deutschen Mädels ihnen ein wenig was bedeutet
haben.
Es wäre gelogen, wenn ich nun
behaupten würde, dass ich bei den einzelnen Abschieden tapfer war. War ich
nicht. Ich habe geheult wie ein Schlosshund. Ich hätte zum Teufel noch mal
nicht damit gerechnet, dass mir diese verfluchten Jungs und Mädels so ans Herz wachsen.
Diese verdammten, immer hilfsbereiten, stets grinsenden, mit großen
ausgestatteten Schultern, gut gelaunten und gastfreundlichen
Inder. Da kann ja auch keiner mit rechnen. Ich habe sie alle sehr
genossen, mit ihnen gefeiert, gegessen, getrunken, gesprochen über wichtige und
unwichtige Themen diskutiert und mit ihnen genauso gut gestritten. Um es mit
Suyash‘s Worten zu sagen „Mit wem soll man denn sonst streiten, wenn nicht mit den
engsten Freunden. Mit ihnen kann man streiten, aber ihnen kann man genauso gut
verzeihen“.
Das Tschüss sagen zu meinen Mädels fiel mir vergleichsweise
einfach, da ich drei von ihnen sicher zum Abschlusseminar in Frankfurt
wiedersehe und die letzte bekomme ich auch früh genug wieder zu greifen. Da bin
ich mir sicher.
Somit war es das jetzt mit meinen ‘ersten und
letzten Malen‘ in Indien, aber wie ich es schon angesprochen habe. Ein jedes
letztes beinhaltete auch ein erstes Mal. Somit saß ich nach 10 ½ Monaten
in einer überfüllten Auto Rikshaw. Hinten die Frauen und vorne die Männer (aus Anstandsgründen getrennt) und genau aus diesem Grund hat mir eine ältere
Inderin auch direkt angeboten bei ihr auf dem Schoß zu sitzen, damit ich mich
nicht nach vorne setzen muss. Somit hatte ich das Vergnügen ganz
selbstverständlich bei einer fremden Inderin 20 Minuten auf einer holprigen
Rikshawfahrt auf dem Schoß zu sitzen, welche mich noch mit ihrem Arm festhielt,
sodass ich auch ja nicht rausfalle.
So kann ich sagen, das dass vielleicht mein erstes Mal auf dem Schoß einer
fremden Inderinwar, aber in diesem Fall bezweifle ich, dass es das letzte Mal war.
Bis bald Johanna bzw. Mutti ;)