Johannas Tag:
Luise und ich haben die Möglichkeit
jeden Morgen so richtig schön ausschlafen zu können und diese nutzen wir auch.
Schon morgens dringen die Stimmen der Händler auf den Straßen zu uns in den 4.
Stock. Jeder hat so seinen eigenen Singsang drauf an dem selbst wir schon den
einen oder anderen erkennen ohne ihn zu sehen, wie zum Beispiel den Zwiebelmann
oder der Schnick-schnack-krims-krams Verkäufer.
So um 10 Uhr bequemen wir uns also
aus dem Bett um zusammen zu frühstücken. Wir haben uns den Luxus genommen, jeden
Morgen Cornflakes und Haferflocken zu essen. Das mag sich nicht unbedingt nach
Luxus anhören, alleine weil ich das in Deutschland auch jeden Morgen gemacht
habe und das für mich das normlaste von der Welt war. Hier allerdings würden
wir jeden Morgen umsonst Frühstück bekommen, allerdings scharfen Reis mit Soßen.
Das indische Frühstück haben wir die ersten zwei Wochen ausprobiert, aber wir
waren uns einig, dass wir das mögen, aber nicht unbedingt damit den Tag starten
müssen. Allerdings ist Müsli verglichen zu anderen Lebensmitteln teuer. Durch
unsere Frühstücksgewohnheit die halt auch ein wenig Milch benötigt haben wir
unseren Lieblings Milchmann getroffen,
der auch gleichzeitig die Aufgabe des Telugulehrers übernommen hat. Nun kann
ich meine Milch und meinen Joghurt auf Telugu bestellen ‘‘oaka half liter palu, oaka perugu‘‘. Wenn ich damit ankomme,
freut er sich immer und wenn ich ihm dann noch auf Telugu eine gute Nacht
wünsche kann er sich ein Lachen meist nicht mehr verkneifen.
Am Morgen erledige ich meistens noch
ein paar angefallene Sachen wie Blogeinträge schreiben, die Bude auf Vordermann
bringen, Stundenvorbereitung für den Tag oder einfach nur lesen. Dann geht’s
los entweder mit dem Zug in dem Slum zu den Mädels. Hier werden wir manchmal
mehr manchmal weniger erwartet. Die Mädchen haben das eine oder andere Mal ein
kleines Motivationsproblem und daher müssen wir uns immer nette Lernspiele
ausdenken, damit wir sie bei der Stange halten. Die Arbeit dort macht uns aber
Spaß und daher bleiben wir da dran. In dem Lehrraum ist in unseren Unterrichtsstunden
immer high life. Zur Mittagszeit wird dort für die Kinder essen ausgeteilt und
auch ‘Mittagsschlaf‘ gehalten. Letzteres klappt immer mit weniger Erfolg, da
unsere Arbeitsmaterialien und wirklich alles andere grade spannender scheint,
als ein Mittagsschlaf. Die Kiddies werden dann immer von der Köchin zur Räson
gerufen. Die Frau ist sicherlich schon über die 60 Jahre und ich würde sie als
gute Seele des Slums bezeichnen. Jeden Tag kocht sie große Mengen Reis, Eier
und eine Soße für alle Kinder des Slums, teilt es aus und füttert sie auch
manchmal. Zudem hat sie ein Stimmenvolum auf das man neidisch sein kann, wenn
ihr etwas nicht gefällt, dann hören das auch noch die Nachbarn 3 Hütten weiter.
Und sie schafft es einfach immer tolle
Saris zu tragen.
Irgendwie eine tolle Frau!
Oder
wir fahren in die Schule, die für Kinder aus ärmeren Verhältnissen ist. Hier
geben wir dann den 3., 4. oder 5. Klässlern Computerunterricht. Wenn wir dort
ankommen, rennen die Schüler uns schon entgegen und rufen ‘Aka, Aka‘, was
übersetzt sowas wie Schwester heißt. Ich finde es ganz schön, dass die meisten
uns mit ‘Sister‘ oder ‘Aka‘ ansprechen, weil ich mich nicht als ‘teacher‘ und schon
gar nicht als Madame fühle oder sehe. Es wird wohl noch ein bisschen dauern,
bis der Trubel um uns weniger wird an der Schule.
Zum
Mittag kommt dann unsere persönliche gute Seele, Amma, zu uns und bringt uns
unser Lunch. Das besteht meist aus Reis, einem Curry und manchmal Chapatis. Ich
liebe ihr Essen und ich habe mir fest vorgenommen, ihr einmal über die Schulter
zusehen, wie sie ihre Currys macht, damit ich das Zuhause vielleicht auch mal
hinbekomme. So wie sie, schaffe ich es aber nie, mache wir uns mal nichts vor. Nach
der Mittagspause die ich mir 2 Kaffee rumzukriegen pflege geht es dann weiter
zum Waisenhaus. Hier warten 22 Mädels auf uns, die alle gleichzeitig animiert
werden wollen. An manchen Tagen machen wir einfach nur Hausaufgaben mit ihnen,
lesen etwas oder spielen Spiele mit ihnen. Manchmal planen wir aber auch ein
Programm, welches wir dann versuchen mit möglichst wenig Chaos durchzukriegen.
Wenn wir neue Materialien mitbringen ist die Aufregung meistens so groß, dass
das eigentlich Programm in den Hintergrund gerät und einfach nur die zum
Beispiel neuen Stifte, bunte Blätter oder Plakate ausprobiert werden müssen.
Mal früher mal später machen wir dann dort Schluss und setzen uns entweder noch
mit unseren Handys hin und gehen ins Internet oder gehen nachhause. Angekommen
warten dann die anderen zwei Mädels auf uns und wir essen alle zusammen
Abendbrot und schnacken meistens noch ziemlich lange über unseren Tag und Gott
und die Welt. Entweder wir gehen dann getrennt Wege und lesen noch oder wir
machen einen Filmeabend.
Dann
geht’s ab in die Furzmulle und am Morgen geht’s wieder los.
So
oder so ähnlich sieht mein Tagesablauf hier in Indien aus. Es hat lange
gebraucht, an die 2 Monate, um so etwas wie eine Routine reinzubekommen.
Allerdings weiß man hier nie, was einem der Tag bringt. Einmal wird man spontan
vom Manager zu einer großen Veranstaltung mitgenommen, wie dem World Aids Day
oder man darf statt der 1/2 Stunde warten auf den Bus mal 1 1/2h warten oder in einem Tempel
übernachten und leben plötzlich Männer 41 Tage im Tempel der nicht weit von uns
weg ist oder wir haben mal wieder 4 Tage Wassermangel und sind gezwungen
Katzenwäsche zu betreiben, dann verschwindet unser Mülleimer vor der Tür, dann
taucht eine Zeitung vor unserer Tür auf wie von Geisterhand, dann werden wir
spontan zu einer Party eingeladen, dann dürfen wir mal wieder Fotos mit Indern
machen die sich freuen, weiße zusehen und immer gut ist wenn wir früh morgens
erfahren, dass heute ein Feiertag ist und wir nicht arbeiten brauchen.
Somit
ist das Wort Routine hier nicht ganz angebracht, aber genau das genieße ich.
Bis
bald Johanna